Es wird keinerlei Gewähr für die Aktualität der Inhalte im Archiv übernommen.
26.8.2020, 11:04 - Archiv

Schnell in Le Mans mit dem ŠKODA Sport

  • Vor 70 Jahren gelang ŠKODA beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans fast eine Sensation
  • Speziell entwickelter ŠKODA Sport mit leichter Aluminiumkarosserie basierte auf erfolgreichem Serienmodell 1101/1102 „Tudor"
  • Václav Bobek und Jaroslav Netušil kämpften bis zu einem Technikdefekt nach 13 Rennstunden um den ersten Platz in ihrer Klasse
  • Zwei Exemplare des ŠKODA Sport wurden gebaut und galten lange als verschollen

Mladá Boleslav / Cham, 26. August 2020 – Im Jahr 1950 erlebte ŠKODA AUTO einen ganz besonderen Moment in der Motorsportgeschichte des Unternehmens: Den bis heute einzigen Start eines ŠKODA Modells beim weltberühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans.

Die Sensation schien zum Greifen nah. Die lange Nacht von Le Mans war fast überstanden und das ŠKODA Team hielt sich in der Kategorie der Hubraumklasse bis 1100 cm3 konstant auf dem 2. Platz. In der Leistungseffizienz-Sonderwertung rangierte das Zweiergespann zwischenzeitlich auf dem 5. Platz von insgesamt 60 Fahrzeugen. Der französische Rennwagen-Spezialist Gordini hatte insgesamt sechs Wagen ins Rennen geschickt und schien trotzdem chancenlos gegen die Tschechen zu sein, deren blütenweisse Overalls kaum von der Tatsache ablenken konnten, dass ihr Rennwagen aus einfachsten Mitteln zusammengebaut war.

Denn für die Saison 1949 entwickelte der tschechische Autohersteller auf Basis des „Tudor“ eine spezielle Rennvariante: den ŠKODA Sport. Der offene Zweisitzer besass einen um 400 Millimeter verkürzten Radstand und eine besonders flache Pontonkarosserie aus leichtem Aluminium und gab in Brünn beim Grand Prix der Tschechoslowakei sein Debüt: Das eigentliche Ziel war jedoch Le Mans, das damals bereits weltbekannte 24-Stunden-Rennen im französischen Department Sarthe. Am Samstag, den 24. Juni 1950 hatte es das Werksteam von ŠKODA geschafft: Die weiterentwickelte Version des 1101 Sport stand – bereit für den damals noch üblichen „Le Mans-Start“ um 16 Uhr –schräg vor der Boxenmauer des 13,65 Kilometer langen „Circuit des 24 Heures“. Die Fahrer reihten sich am gegenüberliegenden Streckenrand auf, um nach dem entsprechenden Signal zu ihren Fahrzeugen zu sprinten. Dort sprangen sie hinter das Steuer, starteten den Motor und gingen auf die erste Rennrunde. Aus Sicherheitsgründen wurde diese Art des Rennstarts im Jahr 1970 abgeschafft.

Der 600 Kilogramm leichte ŠKODA Sport wurde von Václav Bobek und Jaroslav Netušil gefahren und verfügte für den Einsatz in Le Mans über einen auf 2,150 Millimeter verlängerten Radstand, der die Richtungsstabilität verbesserte. Sichelförmige Luftöffnungen neben den Hauptscheinwerfern leiteten den Trommelbremsen an den Vorderrädern Kühlluft zu und zwei zusätzliche Scheinwerfer sorgten in den Nachtstunden für bessere Sicht. Ansonsten basierte das Fahrzeug weitgehend auf dem serienmässigen „Tudor“, einschliesslich der 12-Volt-Bordelektrik von PAL und der Diagonalreifen von Barum. Der wassergekühlte Vierzylinder unter der niedrigen Fronthaube mit einem unveränderten Hubraum von 1089 cm3 verdichtete etwas höher im Verhältnis 8,6:1 und verfügte über einen Solex 40 UAIP-Vergaser. Damit stieg die Leistung des Motors gegenüber des 32 PS starken Serienmotors auf 50 PS (37 kW) bei 5200 Umdrehungen. Mit dem damals üblichen Renntreibstoff – einem Mix aus Benzin, Ethanol und Azeton – erreichte der ŠKODA Sport eine Spitzengeschwindigkeit von 140 km/h und verbrauchte dabei nur zwölf Liter pro 100 Kilometer. Vollbetankt und mit jenen Werkzeugen und Ersatzteilen an Bord, die bei einem Reparaturstopp ausschliesslich benutzt werden durften, brachte er 700 Kilogramm auf die Waage.

Eine Tankfüllung ermöglichte rund vier Stunden Fahrzeit, die beiden Piloten Václav Bobek und Jaroslav Netušil konnten also deutlich längere Strecken als ihre Konkurrenten absolvieren. Das Rennen verlief für das ŠKODA Team bis zum Morgengrauen reibungslos. Aber in der 115. Runden geschah das Unglück: Das Sicherungselement eines Pleuelzapfens war gerissen und eine Reparatur vor Ort nicht mehr möglich. Eigentlich schade, denn wie schnell der ŠKODA Sport wirklich war, zeigte sich erst im Rennen des Folgejahres. 1951 gab Porsche sein Le Mans Debüt ebenfalls in der 1,1-Liter-Klasse und der Porsche 356 blieb in den Rundenzeiten hinter dem ŠKODA zurück.

Auch wenn es nie zu einer Le Mans Revanche kam, sollte der ŠKODA Sport ein wahres Methusalem-Alter als Rennwagen erreichen. In den nächsten zwölf Jahren absolvierte er über 80 weitere, meist erfolgreiche Einsätze, nun allerdings im Inland oder im benachbarten Ausland. Eine weitere Karosserie wurde für den ŠKODA Sport gebaut und beide Autos erhielten stärkere Motoren. Am Ende existierten eine Vergaserversion mit 120 PS und ein Doppelkompressormotor mit satten 190 PS. 1953 erzielte das Le Mans Auto mit einigen aerodynamischen Modifikationen einen tschechischen Geschwindigkeitsrekord in der Klasse bis 1100 ccm von 160,1 km/h.

Heute befindet sich das Le Mans Auto in Privatbesitz und in den besten Händen. Mehrere Generationen der Besitzerfamilie waren in der ŠKODA Abteilung Entwicklung und Karosserie tätig, So ist Michal Velebný als Koordinator für die Restaurierung und Instandhaltung der Fahrzeuge im ŠKODA Museum zuständig, Der ŠKODA Sport war nicht weniger als die Erfüllung eines langgehegten Kindheitstraumes, zeichnete sich doch sein Grossvater für die Karosserieform verantwortlich und hinterliess Michal Velebný die Konstruktionspläne mit Unterschrift. „Der Wagen galt lange als verschollen und ich fand ihn erst nach langer Detektivarbeit, indem ich mit alten Fahrern, Mechanikern und Veranstaltern gesprochen hatte. Es dauerte dann noch mehrere Jahre, bis das Fahrzeug wieder voll einsatzfähig war.“

Erstaunlich am heutigen Zustand ist vor allem die hohe Originalgetreue. Die Piloten dürften stets achtsam mit dem ŠKODA Sport umgegangen sein, denn die Karosserie blieb trotz der extrem langen Rennkarriere weitgehend unversehrt. Davon zeugen beispielsweise die Löcher in der Karosserie für die damals in Le Mans erforderliche Startnummernbeleuchtung.

Der ŠKODA Sport soll aber doch noch zu seinem verdienten Comeback beim 24-Stunden-Rennen kommen. Die Renn-Rarität aus Mladá Boleslav wird mit Sicherheit beim Le Mans Classic 2021 dabei sein.

Link zum Video

Share this: